StartseiteUnsere KirchenEvangelische KircheJubiläumsschrift 2003



Die Schrift wurde anlässlich des Ludwigsfelder Jubiläums 2003 von Pfarrer Ulrich Haben-Wieberneit verfasst.

Das Kirchengebäude

Als sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Ludwigsfeld unter den Menschen aus unterschiedlichen Nationen auch zahlreiche deutsche Vertriebene ansiedelten, entstand bald das Bedürfnis, evangelische Gottesdienste abzuhalten. Hierzu wurden verschiedene Übergangslösungen in angemieteten Räumen gefunden. Zunächst wurden die Evangelischen von Geistlichen aus Moosach, seit den frühen 60er Jahren von der Bethanienkirche aus Feldmoching her betreut. Der Wunsch, eine eigene evangelische Kirche zu besitzen, wurde immer größer. Die Gelegenheit ergab sich, als Ende 1967 auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau ein neues modernes Kirchengebäude errichtet wurde - die Versöhnungskirche. Das seit 1952 dort bestehende Kirchlein - eine so genannte „Notkirche" des berühmten Kirchenbaumeisters Otto Bartning - konnte in seiner Grundkonstruktion abgebaut und in Ludwigsfeld neu errichtet werden. Bartning hatte schon in den Kriegsjahren ein Konzept für solche einfach zu errichtenden Kirchenbauten entworfen, von denen in den Nachkriegsjahren nicht weniger als 49 verwirklicht wurden. Mit vorgefertigten Konstruktionsteilen aus Holz wurde zügig ein Grundgerippe errichtet, das dann mit örtlich verfügbaren Materialien, oft Trümmersteine aus den Kriegsruinen, ausgemauert werden konnte. Zum ehemaligen Konzentrationslager Dachau gab es einen engen historischen Bezug: Auf dem Gelände der heutigen Wohnsiedlung Ludwigsfeld bestand während der Zeit der nationalsozialistischen Terrorherrschaft ein Außenlager des KZ Dachau. An diese belasteten geschichtlichen Hintergründe wollte die Gemeinde erinnern, als sie der Kirche den Namen „Golgathakirche" gab. Golgatha - zu Deutsch: Schädelstätte - so wurde in biblischer Zeit der Hinrichtungsplatz vor den Toren Jerusalems genannt, an dem auch Jesus gekreuzigt wurde. Am 3. Dezember 1967 wurde die Golgathakirche nach nur halbjähriger Aufbauzeit durch den damaligen Kreisdekan für München und Oberbayern, Oberkirchenrat Schmidt, eingeweiht.


Der Kirchenraum

Der Kirchenraum bietet Platz für etwa 60, ein kleiner Nebenraum für 20 Personen. Eine kleine Sakristei und eine Küche stehen außerdem zur Verfügung. Besonders auffallend sind ein Taufstein mit metallenem Deckel und das zunächst befremdende Kreuz darüber mit seinen ungleichmäßig langen Seitenarmen. Der Kunsterzieher Reinhold Ludwig - damaliges Gemeindemitglied - hat das Kreuz gestaltet. Es erinnert an den Weg, auf dem Jesus sein Kreuz unter Mühen nach Golgatha hinauf geschleppt hat. Auf dem Weg wurde es einseitig abgeschliffen - so könnte man es vordergründig interpretieren. Aber zugleich ist dieses Kreuz hintergründig ein Zeichen für die Asymmetrie und das Ungleichgewicht, die eine vom Leid geplagte Welt kennzeichnen.


Die Glocke

Über die Herkunft der Glocke, die auf dem kleinen Dachreiter der Kirche hängt und - von Hand betrieben - zum Gottesdienst ruft, hatte man sich lange Zeit keine Gedanken gemacht. Bis im Jahr 1990 Wolfgang Konschake aus der damaligen DDR Kontakt mit der Gemeinde aufnahm. Er war auf der Suche nach der Glocke aus seinem Heimatort Groß-Hammer in Schlesien, die einer seiner Vorfahren einst gestiftet hatte. Und tatsächlich: Bei einer genauen Inspektion fand sich auf der Ludwigsfelder Glocke folgende Inschrift: „Im Jar 1792 Johann George Krieger goss mich in Breslau" - und weiter werden auch die Namen der Spender genannt: "Joh. Konschake / Gottl. Tilgner / Kirchenväter". Auf der Rückseite ist noch vermerkt: "Karl Gottlieb Münsterberg / Pastor". In den Wirren der Kriegs- und Nachkriegszeit ist die Glocke auf unbekannte Weise in den Westen gekommen und hat schließlich in Ludwigsfeld ihren - vorerst - letzten Platz gefunden. So dürfte sich eines der ältesten Kulturgüter Ludwigsfelds im Dachreiter der Golgathakirche befinden: Eine über 200 Jahre alte Schlesierglocke. Zur Erinnerung hängt im Kirchenraum die Reproduktion einer Zeichnung aus dem Jahr, die die evangelische Kirche von Groß-Hammer darstellt.


Die jetzige Situation der Kirche

In den ersten Jahren wurde die Kirche ausgiebig genutzt.
Die Konfirmationen zahlreicher evangelischer Jugendlicher aus Ludwigsfeld fanden dort statt. Ein eigenes Flair hatte auch lange Zeit das Gemeindefest am Himmelfahrtstag, zu dem Ludwigsfelder aus "aller Herren Länder" mit kulinarischen Spezialitäten beitrugen. Im Lauf der Jahre veränderte sich die Struktur der Wohnsiedlung stark. Jüngere evangelische Familien zogen kaum noch nach. In vielen Jahrgängen gab es keinen einzigen Konfirmanten mehr aus Ludwigsfeld. So verlagerte sich das Gemeindeleben immer stärker in die beiden Hauptkirchen der evangelischen Gemeinde, die Bethanienkirche in Feldmoching und die Kapernaumkirche am Lerchenauer See. Heute finden in der Golgathakirche 14-tägig am Samstagabend Gottesdienste und ebenfalls 14-tägig ein Seniorenkreis statt. Zu besonderen Veranstaltungen, zu Taufen und Trauungen bevorzugen die meisten Ludwigsfelder die größeren Kirchen. Seelsorgerlich werden die evangelischen Ludwigsfelder von den Pfarrern der Bethanienkirche betreut, zurzeit von Pfarrer Ulrich Haberl und Pfarrerin Ilka Wiebemeit. Da wegen des Schulsprengels und der Einkaufswege viele Ludwigsfelder aber eher eine Beziehung zu Karlsfeld als zu Feldmoching aufbauen, haben sich die evangelischen Gemeinden abgesprochen, dass auch Pfarrer und Gemeinde der Korneliuskirche in Karlsfeld für die Ludwigsfelder als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. So sind die Ludwigsfelder Evangelischen in München die einzigen, die regelmäßig von zwei Gemeinden den Gemeindebrief erhalten.

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